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Taylor Swift: Kulturikone und Marketinggenie

Zwifties aufgepasst: Am 19. April veröffentlichte Taylor Swift ihr neues Album ‘The Tortured Poets Department’ und wurde bereits am ersten Veröffentlichungstag unglaubliche 200 Millionen Mal gestreamt. Überraschend verkündete Swift, es handle sich hier um ein ‘geheimes Doppelalbum’: neben den 16 Tracks des Hauptalbums beinhaltet ‘The Tortured Poets Department: The Anthology’ ganze 15 Bonustracks, sodass sich Swifties an gleich 31 neuen Werken erfreuen können. Damit bricht sie mal wieder mehrfach Rekorde – gehört Swift doch zu den meistgestreamten Musikerinnen auf Spotify und gilt als die erfolgreichste Musikerin der US-amerikanischen Musikindustrie.

Unter Fans gilt Taylor Swift als Poetin und Geschichtenerzählerin; ihre Texte sprechen ganzen Generationen aus der Seele. Ihr kultureller und auch politischer Einfluss ist enorm. Wie wurde sie zu dieser beinah zeitlosen Ikone? Dazu lohnt sich ein Blick auf ihre Laufbahn.

Karrierestart als gefälliges Countrygirl

Begonnen hat sie ihre Karriere im Jahr 2006 als Countrysängerin. Das blonde American Girl Next Door sang von Blue Jeans, Chevy Trucks und langen Sommern voller Herzschmerz und spielte sich mit Banjo und Akustikgitarre ins Herz Amerikas. Lange hielt sich Swift mit politischen Statements zurück und wurde deshalb (fälschlicherweise, wie wir heute wissen) im Lager der Republikaner verortet.

Von anderen Sängerinnen im Country-Genre hob sie sich unter anderem damit ab, ihre Outfits aus sehr erschwinglichen und günstigen Kleidern zusammenzustellen und es ihren hauptsächlich jungen und weiblichen Fans so ermöglichte, sich genau so einzukleiden. Nahbarkeit statt Unerreichbarkeit war die Devise; es ging um relatability und Authentizität. Wie viele Frauen hatte auch Taylor ihre ‘I’m not like other girls’-Phase und setzte sich in ihren Musikvideos mit den Sorgen und Nöten junger Mädchen auseinander, die in der Welt ihren Platz suchen, sich unglücklich verlieben und mit den Popular Girls der typischen American Highschool vergleichen.

But she wears short skirts
I wear T-shirts

Das Country-Genre war jedoch nur Swifts Einstieg ins internationale Musikgeschäft. Seitdem hat sie zahlreiche Imagewechsel hinter sich, mit denen sie nicht nur immer neue Fashionstyles ihrer großteils weiblichen Zielgruppe aufgriff, sondern auch Trends und Diskurse auf Social Media in Songs und Musikvideos verarbeitete. Das Album ,RED’ stellte einen Stilbruch mit ihrer bisherigen sanften Country-Ästhetik dar und markiert ihren Einstieg in den 2010er Vintage- und Nostalgia-Hype der Millennials, befeuert von der damals noch brandneuen Plattform Instagram.

It feels like a perfect night
To dress up like hipsters

Zu den Millennials kommt die Gen Z: Swifties & Zwifties vereint

Mit einem erneuten radikalen Wechsel schafft es Swift außerdem, sich die Gen Z als neue Zielgruppe zu erschließen: während der Pandemie trendete Cottagecore mitsamt eskapistischer und romantisierter Fantasien eines weichen Landlebens. Die Alben ‘Folklore’ und ,evermore’ greifen diese Sehnsüchte auf und geben ihr einen massiven Push auf TikTok: zur Millenial-Generation der Swifties gesellen sich die Zwifties der Gen Z.

Auch politisch entwickelt sie sich weiter: Swift macht sich gegen Homophobie und Frauenhass stark und setzt in ihren Musikvideos Statements gegen die MAGA-Bewegung und christlichen Fundamentalismus. Große Wellen schlägt ihre Entscheidung, ihre vergangenen Alben komplett neu aufzunehmen, da die Musikrechte an den alten Aufnahmen in den Händen von Managern und Investoren liegen. Mit diesem radikalen Schritt erlangt sie die Rechte an ihrer eigenen Musik zurück und lenkt Aufmerksamkeit auf Missstände in einer von Misogynie und Ausbeutung geprägten Musikindustrie. Mittlerweile ist sie bei Universal Music unter Vertrag, behält jedoch die Rechte an ihren eigenen Songs. Das hat zur Folge, dass trotz des Vertragsstreits zwischen UMG und TikTok ihre Musik weiter auf der Plattform nutzbar ist.

Die Tatsache, sich immer wieder neu erfinden zu müssen, um in der Musikbranche relevant zu bleiben, ist keine neue Erkenntnis. Auch andere internationale Musikstars (vor allem Frauen) machen immer wieder radikale Stilveränderungen durch – nicht so sehr, weil sie es wollen, sondern weil der Zwang, relevant zu bleiben, um erfolgreich zu bleiben, gnadenlos ist.

Mittlerweile wird auch ihr politischer Einfluss so hoch eingeschätzt, dass sie mit einer Wahlempfehlung signifikanten Einfluss auf die US-amerikanische Präsidentschaftswahl am 05. November 2024 haben könnte. Das Fingerspitzengefühl, mit dem Taylor Swift den jeweils aktuellen Zeitgeist und die Interessen und Konflikte ihrer Fans erfasst, ist bemerkenswert und wie wir alle sehen, gibt ihr der Erfolg recht.

Ihre schon jetzt legendäre ERAS-Tour nimmt die Fans mit auf eine Reise durch alle Etappen ihrer bisherigen Karriere und soll im Juli auch in Hamburg, München und Gelsenkirchen stattfinden.

AI-generierter Content: Absurdes und verwischte Grenzen zwischen true und fake

Social Media ist von AI-generiertem Content überschwemmt; das ist mittlerweile nichts Neues mehr. Das Augenmerk sei an dieser Stelle aber einmal auf etwas gerichtet, das als Unterkategorie von AI-generiertem Content auf Social Media bezeichnet werden könnte: absichtlich absurde oder offensichtlich gefakete Inhalte zur Unterhaltung.

Was ist damit gemeint?

Dass AI keinen Zugang zur tatsächlichen Bedeutung eines Inhalts hat, sondern die Generierung von Texten oder Bildern auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten vornimmt, wissen wir. Das ist der Grund, warum KI-generierte Texte oft recht hölzern klingen und Personen auf Bildern manchmal vier, manchmal sieben Finger an einer Hand haben. Insbesondere die Texte und deren kontextblinde Formulierung haben es nun einigen angetan. So begeistert ein YouTube-Kanal gerade mit 3D-Animationen für Interior Design auf lächerlich wenig Wohnraum, während eine roboterhafter generierte Stimme darlegt, wie der neue Eigentümer, der gerade sein gesamtes Erspartes für buchstäbliche 4 Quadratmeter berappt hat, sich eine pfiffige Interior-Lösung ausdenkt, bei der die Toilette selbstverständlich direkt neben oder unter der Kochnische angebracht wird (wo auch sonst).

Aber nicht nur für absurden Humor eignet sich AI-Content mäßiger Qualität: insbesondere bei Content auf Reddit, der für Instagram-Reels, TikToks oder YouTube-Shorts recycelt wird, befeuert das Rätselraten, ob es sich hier um einen echten Post eines echten Menschens handelt oder um AI-generierten ‘Rage-Bait’, die Interaktionen. Auch hier trägt eine AI-generierte Stimme den Text vor, der stückweise eingeblendet wird, während wir Minecraft-Parcours anschauen und uns fragen, wie viel Wahrheit in diesem Post steckt.

So könnte er zwar aus Menschenhand stammen, aber trotzdem frei erfunden sein, oder auch der Inhalt selbst ist generiert und ggf. manuell leicht angepasst worden. Die monotone Stimme, die all das vorträgt, tut ihren Rest, wenn User sich nun streiten, ob der Post real klingt oder nicht, einander auf Inkonsistenzen der Story hinweisen oder verkünden, wie furchtbar sie AI-generierte Stimmen finden. All das hat eine Konsequenz: mehr Kommentare, mehr Clicks, mehr Erfolg für die Seiteninhaber.

Die AI-Revolution zeigt dieser Trend nicht auf – wohl aber der Ideenreichtum, mit der mittelmäßige AI-Produkte in komische bis absurde Form gebracht werden. Die Medienliteralität, die der oder die durchschnittliche SocialMedia-User:in mittlerweile aufbringen muss, um nicht irgendwelchen Fakes auf den Leim zu gehen, grenzt ganze Generationen voneinander ab und zeigt einen Onlinehumor auf Meta-Ebene, der Gen Z und Millennials gemein ist.

Sad Hamster

Seit der ersten Februarhälfte macht ein Foto eines Hamsters die Runde: mit riesigen, tränenden, um Mitgefühl heischenden Augen sieht er uns an, während die Melodie ‘Woe is me!’ (dt. ‘Wehe mir!) aus der Comicserie Spongebob Squarepants als musikalische Untermalung spielt.

Das Trauerlied der ‘kleinsten Violine der Welt’ ist eine lange bekannte Referenz der Serie, in der die winzige Violine durch das Aneinanderreiben von Daumen und Zeigefinger gespielt wird und in Situationen zur Anwendung kommt, bei denen sich jemand selbst bedauert oder Mitleid erbittet.

Das Meme geht auf TikToker afexix zurück, der das Bild eines Hamsters von Instagram-Userin monyo_melo entsprechend bearbeitete und ihn mit der Melodie aus Spongebob unterlegte.

Insbesondere auf die Lebenssituation junger Menschen lässt sich ‘Hamsti’ gut anwenden; so kommt er häufig zum Einsatz, wenn man das Gefühl ausdrücken möchte, ja noch klein zu sein, sich noch nicht zurechtzufinden, oder dabei ist, unkluge finanzielle Entscheidungen zu treffen und dabei um Verständnis buhlt.

Im Deutschen wird aus dem Sad Hamster oder Violin Hamster dann ‘Hamsti’, der an beinah jedes Wort ein verniedlichendes i dranhängt, und mitunter schmückt sich Hamsti mit einer Schleife, um weiblich gelesen zu werden.

Brands haben die hohe Reichweite des Memes rasch erfasst und ihn bereits selbst fürs Marketing verwendet, so zum Beispiel die Deutsche Bahn oder Wagner Pizza.

Auch Merchandise gibt es mittlerweile zuhauf; so kann man sich Hoodies, Sticker, T-Shirts und vieles mehr kaufen, auf dem der Hamster mit oder ohne Schleifchen zu sehen ist. Als Autosticker oder auf der eigenen Kleidung suggeriert er dann: ’sei nicht so streng zu mir‘, ‚ich kann nichts dafür‘ oder auch ‚ich weiß es doch auch nicht‘.

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