Zum einen legt uns das, was uns Trump und seine Mischpoke als Politik andrehen wollen, beinahe im Sekundentakt Content-Ostereier vor die Tür, die dankend im Writers-Room vernascht werden können. Zum anderen ist es eine kreative Meisterleistung, die per Dekret in den Äther geschossenen Absurditäten satirisch zu überbieten und dennoch deren Gefahren nicht aus den Augen zu verlieren.
Während der ersten Amtszeit gelang das den brillanten Autor:innen von Kimmel, Meyers, Oliver und Stewart so verlässlich, dass sich die Shows zu dem politischen Medium der demokratischen Populär-Opposition entwickelten.
Denn trotz Shiny-Floor und altehrwürdiger TV-Ästhetik werden die Shows laut einem Interview mit Jon Oliver mit der New York Times millionenfach in Snippets auf YouTube geschaut – ganze Sendungen hingegen kaum noch und erreichen damit ein deutlich breiteres Publikum als eine exklusive Ausstrahlung im Kabel-Fernsehen. Ganz zur Freude von Oliver:
What I love about having the show on YouTube is that we can reach beyond HBO subscribers. That feels really important to me.
Dass dabei die unpolitischen Videos selten an den 100.000 Views kratzen, während die genannten Bits nicht selten über eine Millionen mal geklickt werden, spricht für sich.
Besonders beliebt sind – ob nun gerade Präsident oder nicht – die Clips mit Trump. Es lässt sich ein eindeutiger Trend erkennen: Seit Anfang 2024 und der Bekanntgabe der Kandidatur des Republikaners haben sich die Aufrufe von Saturday Night Live mehr als verdoppelt, “The Daily Show” verzeichnete einen Anstieg um 58% auf 4,7 Millionen tägliche Aufrufe, während “Jimmy Kimmel Live!” um 72% auf 3,9 Millionen wuchs.
Besonders die Videos mit Reaktionen auf den Wahlsieg am 4. November 2025 unterstrichen dabei die erneute Relevanz des Genres und sind bei einigen sogar unter den Top Videos. Man merkt den Moderator:innen deutlich an, wie tief der Schock sitzt, aber gleichzeitig auch, wie politisches Verantwortungsbewusstsein und die Lust zum hegemoniekritischen Diskurs im liberalen Amerika wieder zunimmt.
Denn wir erinnern uns: Die gute alte Biden-Zeit
Die US-Late-Night-Shows hatten dabei immer so einen Vibe wie an Opas 80. Geburtstag. Hier und da gab es die ein oder andere eher weniger erfreuliche Story – alles in allem konnte man sich aber grundsätzlich mit seiner Präsidentschaft arrangieren. Und entertaining war es auch. Bissig hingegen eher selten.
Die Witze? Geradezu liebevoll. “Biden’s Bike Ride” oder der Eisdielenbesuch, Versprecher und knuffige Stürze waren Running Gags – ein Präsident, der hinfällt, wieder aufsteht und auf Zucker steht, ist schließlich die perfekte Metapher für Amerika.
Die Klicks? Nicht bombastisch, aber stabil. Wer schaut sich auch gern eine Show an, wenn die größte Kontroverse darin besteht, dass Biden ein Eis in der falschen Geschmacksrichtung bestellt?
Um also im Oster-Bild zu bleiben: Zwar ist Jesus gestorben, allerdings gibt’s auch überall frische Ostereier, die einem der POTUS ungefragt vor die Haustür legt. Durch Forderungen wie die Annexion von Kanada oder der Umbenennung des Golfs von Mexiko gestalten sich die Sendungen und Thumbnails ja quasi von selbst. Während Biden der sanfte Algorithmus-Flüsterer war, wurde Trump zum wahren King of Clickbait.
Das ist nicht nur eine ernüchternde Erkenntnis, sondern ziemlich sicher auch die Formel für seinen Erfolg. Und ohne das Internet, seine Metriken und strukturellen Funktionsweisen wäre eine solche Formel auf keinen Fall aufgegangen – schade. Vielleicht also lieber wieder vors lineare Fernsehen. Hier scheinen es Idioten doch irgendwie schwerer zu haben – zumindest beschränken sie sich auf Formate, in denen alles erlaubt ist (so viele Stars, und keiner holt sie raus).
Vielleicht können wir davon ja was lernen. Vielleicht aber auch lieber nicht.
— Julian Münsterjohann