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Let’s do the time warp… AGAIN

Weil mich diese Plattform tatsächlich schon mehr als mein halbes Leben begleitet. Im Frühjahr 2005 ging – wenig spektakuläre Trivia – dieses Video online. Onlinekultur war danach nicht mehr dieselbe.

Alright, so here we are in front of the, uh, elephants, and the cool thing about these guys is that, is that they have really, really, really long, um, trunks, and that’s, that’s cool. And that’s pretty much all there is to say.

Ich glaube nicht, dass ich wirklich von Anfang an dabei war, wahrscheinlich etwa ein Jahr nach dem wirklich, wirklich, WIRKLICH coolen/langen Rüssel. Exakt kann ich das nicht mehr sagen. Anfangs habe ich noch keinen eigenen Account genutzt, sondern Videos in den Lesezeichen meines Browsers gespeichert.

Müll und nasser Müll – YouTube damals…

So oder so schaue ich damit auf eine der langlebigsten Beziehungen meines bisherigen Lebens zurück. Wahrscheinlich auch eine der bereicherndsten.

Eines der Videos, an die ich mich aus der Frühphase am besten erinnere: Die Wunderharke 5000. Like, wer auch kennt. Das war genau genommen Fernsehen, aber wer kein Privatfernsehen daheim hatte, nahm eben, was er kriegen konnte. Dutzendfach über ICQ geteilt. 00er-Jahre-Rundfunk für den Familien-PC. Trash und recycelter Trash.

Neben pixeligen Privatclips aus Jugendzimmern war YouTube für mich also zu Beginn in erster Linie: krude zusammengeklaubtes Fernsehprogramm. Wenn’s gut lief: nicht mit einem Camcorder von einem anderen Bildschirm abgefilmt. Aber zur Not auch das.

Kurze SpongeBob Clips. TeamSpeak-Mitschnitte. Comedy Bits. College Humor.
Die Klassiker: Potter Puppet Pals, Charlie the Unicorn, Annoying Orange, They’re Taking The Hobbits To Isengard, Lamas mit Hüten.

Und irgendwann: Trailer.

480p? I don’t know her

Der erste HD-Filmtrailer, den ich am Arbeitsrechner-Bildschirm im Büro meines Vaters gucken musste, weil mein fetter Röhrenmonitor nichts damit anfangen konnte. Eine Offenbarung. So gestochen scharf kann ein Bild aussehen?

Neben der aufgehobenen Videolängenbegrenzung für mich bis heute die maßgebliche technische Weiterentwicklung.

Dann: Meilensteine, über die auf dem Schulhof alle sprachen: ein Video mit EINER MILLIARDE VIEWS?!

Mit der Zeit wurden die technischen Quantensprünge kleiner und kürzer. Keine Ahnung, was das erste 4K Video war.

Oder das erste Video, das ich auf einem Smartphone gesehen habe. Keine Ahnung, ehrlich gesagt, welches das letzte war. Obwohl – oder weil – ja ständig irgendwas läuft. Nebenher. Vor allem beim Essen.

YouTube zwischen Grau- und Komfortzone

Falls hier jemand mit Jura-Hintergrund mitliest und irgendwas noch nicht verjährt sein sollte: Das Folgende ist natürlich bloß performative Autofiktion und alles nicht WIRKLICH so passiert, zwinki zwoinki.

So ein YouTube Video für die Essenspause? Das will mit mehr Sorgfalt ausgewählt werden als Studiengang oder Situationship. Spätestens um 2010 hatte diese Videoplattform alle Bereiche meines Lebens durchdrungen. Auch ohne Smartphone, App und mobiles Datenvolumen.

Ich habe zahllose Videos aus dem Browsercache gefischt, um sie offline anzuschauen und auf meinen iPod classic zu ziehen.

Der YouTube2mp3 Converter hat mich locker zehn Jahre meines Lebens mit Musik versorgt. Auch jenseits der GEMA-Schranke. Eine meiner Lieblingsbands habe ich durch ein Bootleg-Musikvideo mit SpongeBob-Footage entdeckt. Nach ewigem Googlen des kaum verständlichen Textes. Shazam oder Genius – damals noch Lichtjahre entfernt.

YouTube war wie der etwas zwielichtige Freund, der einem ständig völlig ungeahnte neue (Online-)Welten erschlossen hat. Mund Zu Mund-Algorithmus. Inklusive Philosophie darüber, ob das (s.o.) jetzt eigentlich legal war oder eine rechtliche Grauzone. Solange es niemand sperrt, muss es ja irgendwie okay sein.

Also immer her mit neuer Musik und neuen Filmen. Kurzfilmen. Ganzen Filmen. Ganzen Kurzfilmen, wie (einer meiner) Lieblinge von Werner Herzog: Maßnahmen gegen Fanatiker. Nicht selten, das mittlerweile die tatsächlichen Urheberrechtsinhaber ihre Filme selbst bei YouTube einstellen. Filmfreaks, haltet euch fest: Stalker von Andrej Tarkowskij in glorreicher 1080p-Auflösung!

Ich kenne trotzdem persönlich Leute, die auf YouTube für Geld Filme ausleihen (besser, als dem “Dschungel” – wie Dave Eggers sagen würde – Geld in den gierigen Schlund zu werfen?).

Wie viel Watchtime ich wohl auf dieser einen Website gesammelt habe, bis ich das Ganze vom Hobby zum Beruf gemacht habe? Wie viele Stunden Videos ich selbst seither (mit)produziert habe? Ich will es wissen und ich will es nicht wissen. Vielmehr frage ich mich:

… und YouTube heute?

20 Jahre. Das sind in Hundejahren mehr als zwei Lebzeiten. In der ultra beschleunigten Internetzeit ein fast nicht mehr überschaubarer Zeitraum. Wie viele Onlinedienste und -konten sind nach so einer Zeit noch aktiv nutzbar?

Eine lange und bewegte – nicht nur persönliche – Geschichte also. Wie erzählt man die angemessen? Wie archiviert man das alles (falls es überhaupt lohnt), jenseits von UI-Screenshots? Was wird aus Videos, an die man sich erinnert, die aber längst gesperrt oder gelöscht wurden? Feel old yet?

YouTube war für mich vor allem schon immer eins: Vielfältig. So vielfältig wie das Leben selbst. Ein Ort, um unterhalten zu werden. Aber auch einer, um zu lernen. Es hat für mich, wie für viele Menschen, faktisch eine Institution wie die Sportschau ersetzt – nach einem Bundesligaspieltag laden bis zu fünf Anbieter lizenzierte Zusammenfassungen hoch.

Musik höre ich mittlerweile zwar woanders: Doch für Spiele-Reviews, Trailer, Essays, Podcasts, Rezepte, DIY Tutorials, Nachrichten und Essens- oder Klopausengestaltung komme ich immer noch hierher. Natürlich auch für die Arbeit.

Andererseits kann so ein fehlender Fokus ja auch ein Problem sein, alles auf einmal ist nicht immer besser als nichts. Mein Filmprof an der Uni sagte mal zu unserem Kurs:

Ladet eure Filme nicht mehr YouTube hoch. YouTube ist für Katzenvideos. Geht zu Vimeo. Das ist cleaner.

20 Years Deep in the Browser History

(Is It Casual Now?)

Kann die Erfolgsgeschichte also noch lange so weitergehen? Ist YouTube heute überhaupt noch innovativ genug, oder bloß ein Haufen anderswo gestarteter Trends in einem Trenchcoat? Bleibt YouTube noch die neben Google am meisten besuchte Website, oder überholen KI-Tools und andere Plattformen?

Für mich persönlich ist das aber gar nicht so wichtig. Ich bleibe weiterhin treu. YouTube hat Clipfish, MyVideo und Vine überlebt. Ich glaube, es wird auch ChatGPT, TikTok und Insta Reels überdauern. Und so manches mehr, das wir noch gar nicht erahnen. Survival of the fittest. Also hoffentlich auf die nächsten 20 Jahre! Es gibt noch viel (cooles/langes) zu sehen.

— Jonathan Klamer

 

P.S.: Danke YouTube, dass du mich nicht verurteilst, wenn ich jedes Mal wieder dasselbe Video aufrufe, um zu checken, wie ich meine Kaffeemaschine entkalken muss.

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