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Mit mehr als 300 Millionen Subscribern ist MrBeast der größte und erfolgreichste YouTube-Channel der Welt.

MrBeast, der mit bürgerlichem Namen Jimmy Donaldson heißt, ist bekannt für extrem aufwändige Challenges, Stunts, Wettbewerbe oder Verlosungen, wie auch Selbstexperimente, die ihn und die Teilnehmenden regelmäßig an körperliche und mentale Grenzen bringen. Sich 7 Tage in Isolationshaft zu begeben, 100 Tage lang in einen Atombunker einschließen oder für mehrere Tage lang lebendig begraben zu lassen, sind nur einige der Stunts, denen sich Donaldson, sein Team und freiwillige Teilnehmende aussetzen. Neben seinem Main Channel betreibt er noch weitere Kanäle, in denen je ein anderer thematischer Fokus eine Rolle spielt: neben dem kleineren Channel MrBeast2 gibt es MrBeast Gaming, Beast Reacts und BeastPhilanthropy, in dem es beispielsweise um die Rettung bedrohter Tierarten geht, um OPs für Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in Mexico oder um ein Kinderkrankenhaus auf den Philippinen, das finanzielle Unterstützung braucht.

Fans hat Donaldson auf der ganzen Welt, denn für seine englischsprachigen Videos stellt er synchronisierte Audiotracks in 16 verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Und das tat er auch schon lange bevor YouTube begann, mehr als einen Audiotrack pro Video zu ermöglichen. Als einer von Wenigen machte sich MrBeast jahrelang die Mühe, viele Nebenchannels zu betreiben und produzierten Content aufwändig mehrfach hochzuladen, damit auch seine internationalen Viewer den Kanal in ihrer Muttersprache sehen können. Seit er 13 Jahre alt ist, produziert Donaldson eigenen Content. Jahrelange Erfahrung in seinem Genre sowie die durchgehende disziplinierte Auseinandersetzung mit den YouTube-Algorithmus und der Analytics seiner eigenen Videos haben dazu beigetragen, den Content-Creator zum Gründer eines millionenschweren Imperiums zu machen.
Seine Videos sind auch deshalb so beliebt, weil er keine (Produktions-)Kosten und Mühen scheut, seine Ideen in die Tat umzusetzen; laut eigener Aussage reinvestiert er den Großteil seines Jahresumsatzes von 600 bis 700 Millionen Dollar wieder zurück in den Kanal, um neuen teuren Content zu produzieren, den so schnell kein anderer mal eben auf die Beine stellt. Das Video $456,000 Squid Game In Real Life!, ein Reenactment der erfolgreichen Netflix-Serie Sqid Game, kostete laut Donaldson mehr als 4 Millionen Dollar (von denen 2 Millionen von einem Sponsor kamen) und ist mit mehr als 650 Millionen Klicks aktuell das meistgesehene Video des Channels.

Jetzt wird Jimmy Donaldson verklagt. Und gecancelt. Was ist passiert?

Auslöser ist eine Sammelklage gegen Amazon und die Produktionsfirma von MrBeast. Von Amazon soll Donaldson 100 Millionen Dollar zur freien Verfügung erhalten haben, um das Streaming-Format ‚Beast Games‘ zu produzieren, welches als ‘die größte Game Show aller Zeiten’ beworben wird. Das Grundkonzept der RealityTV-Show ist simpel: 2000 Teilnehmende kämpfen um ein Preisgeld in Höhe von 5 Millionen Dollar, indem sie sich halsbrecherischen Stunts und sonstigen kräftezehrenden Challenges aussetzen. Dass die Teilnehmenden bei einer solch immensen Produktion, die über Wochen und Monate geht, nach kalifornischem Recht als Angestellte gelten, die mit Mindestlohn zu vergüten sind, sah die Produktion wohl erst einmal anders. Vorgeworfen wird Donaldson und Amazon zuallererst die Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns inklusive Schadensersatz und Überstunden.

Zum Eklat führten jedoch die anderen Vorwürfe wie den der sexuellen Belästigung, des fahrlässigen Zufügens seelischen Leids oder der Verweigerung von Pausen. Teilnehmende, die sich sowohl aus Laien und MrBeast-Fans, wie auch aus professionellen Schauspieler*innen oder YouTubern zusammensetzen, berichten von mangelnder medizinischer Versorgung bei hohem Verletzungsrisiko, von extrem langen Arbeitstagen ohne ausreichende Mahlzeiten und sogar davon, ins eigene Hotelzimmer eingesperrt worden zu sein (sofern man denn ein Hotelzimmer bekam). 16-Stunden-Schichten, in denen es in der einzigen 15-minütigen Pause eine kleine Handvoll Reis zu essen gibt, während man tagelang auf dem Boden eines Stadions untergebracht ist, halten sich doch am besten aus, wenn man dabei auch noch permanent erniedrigt, beleidigt oder sogar sexuell belästigt wird. Weiblichen Teilnehmerinnen zufolge wurde von den Veranstaltern systematisch eine frauenfeindliche Kultur gefördert, während die Produktion tatenlos zusah. Mehrere Krankenhausaufenthalte aufgrund von Verletzungen, völliger Erschöpfung und Schlafentzug waren die Folge des Umgangs mit Teilnehmenden.

Im Handbook, das Donaldson an alle Teilnehmenden herausgab, werden seine Prioritäten bei den BeastGames jedenfalls deutlich. Auf Seite drei stellt er fest, es gehe nicht darum, die bestproduzierten, lustigsten oder hochqualitativsten Videos zu produzieren, sondern die besten YouTube-Videos. Aber wenn das beste YouTube-Video weder lustig noch qualitativ hochwertig sein muss, bleibt nur ein bestimmender Faktor übrig – und zwar, wie gut es geklickt wird. Das heißt übersetzt: je reißerischer, desto besser. Inhaltliche Qualität oder die Einhaltung ethischer Mindeststandards bei der Produktion spielen bei der Logik von Klicks um jeden Preis keine Rolle. Das wird auch klar bei der Regel ‘No doesn’t mean no’, die verdeutlicht, dass man auch Menschen, die nicht gefilmt werden wollen, auf jeden Fall die Kamera ins Gesicht halten solle. Er wolle nur A-Player, schreibt Donaldson – und die seien obsessiv, glaubten an YouTube, und seien die gottverdammt besten in ihrem Job. B-Player könne man vielleicht noch zu A-Playern machen, doch wenn man nur ein C-Player sei, d.h. auf der Stufe eines durchschnittlichen Angestellten, sei man giftig und solle auf der Stelle in einer anderen Firma arbeiten.

Bereits in der Vergangenheit gab es immer wieder Menschen, die gegen MrBeast auspackten und von psychischer Gewalt, unsäglichen Arbeitsbedingungen und unlauteren Geschäftspraktiken in der Zusammenarbeit berichteten. Donaldson wurde im Laufe seiner Karriere auch das Bewerben und Abhalten illegaler Gewinnspiele, die Promotion betrügerischer Krypto-Schemes und, vor diesem Hintergrund, auch das gezielte Anvisieren minderjähriger Viewer für unlautere Geschäftspraktiken vorgeworfen. Es muss festgehalten werden, dass eine Chronologie aller Anschuldigungen, die MrBeast und mit ihm kooperierende Creator im Laufe der letzten Jahre gesammelt haben, wohl die Seiten eines dicken Buchs füllen könnte – auf jeden Fall aber den Rahmen dieses Artikels sprengt.

Doch bis jetzt…

…waren MrBeasts Kritiker immer in der Unterzahl, gemessen an der überwältigenden Mehrheit seiner Millionen Fans, deren Bewunderung ihm sicher ist. Vor allem seine Gewohnheit, große Summen Geldes kamerawirksam an Bedürftige zu verschenken oder unter seinen Viewern Geld zu verlosen, machte ihn in den Augen Vieler zu einer Art philanthropischer Lichtgestalt. Dass zunehmend mehr Beweise und Indizien auftauchen, die behaupten, ein Großteil seiner groß angelegten Charity-Videos seien gefälscht, spielt dabei erstmal keine Rolle. Das von MrBeast kultivierte Genre der Stunt Philanthropy bildet weiterhin den inhaltlichen Kern seines Erfolges: viel Geld ausgeben und dann noch mehr verdienen – rinse and repeat. Und weil er ja weiterhin einen großen Teil seiner Einnahmen zurück in seinen Channel investiert, können ihm Kritiker keine Geldgier vorwerfen. Schließlich bleiben dann nur noch selbstlose Beweggründe zurück, oder nicht? Alles für die Kunst?

Die Rücksichtslosigkeit, die er in seiner Arbeit an seinem Content und mit seinen Mitmenschen an den Tag legt, steht für Donaldson jedenfalls im Dienste des Kanals: Hauptsache es kommt am Ende etwas dabei raus, das viele Klicks generiert. Wie viele Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen dabei begangen wurden, ist am Ende egal, denn gerade die sensationsheischenden Videos, in denen Menschen an ihre Grenzen getrieben werden, ziehen oft am Besten.

Der Eklat um MrBeast ist ein guter Anlass für alle Content Creator, sich einmal die Frage zu stellen, welche Prinzipien man für die eigene Arbeit zugrunde legt.

Wenn uns Social Media auch für unethischen Content mit Erfolg und Klicks belohnt und sich in der anonymen Schar der Viewer genügend Menschen finden, die einen dafür bejubeln, ist es leicht, etwaige inhaltliche Kritik abzuschmettern. Doch vielleicht gibt einem der Erfolg nicht immer Recht. Wer von sich selbst behauptet, Content Creator aus Leidenschaft zu sein, muss sich fragen, woraus genau diese Leidenschaft sich speist. Wenn einem der Inhalt, die Qualität, die Produktionsbedingungen und der Wahrheitsgehalt des eigenen Contents egaler sind als dessen quantitativer und in Klickzahlen gemessener Erfolg, der hat schlicht und einfach keine Leidenschaft für Content, sondern für Klicks. Diese lassen sich in direkter Weise übersetzen in Geld, aber auch in Ruhm, Bestätigung und irgendwann auch in handfesten gesellschaftlichen Einfluss. Und Macht ohne Moral ist genauso leer wie Klicks als Selbstzweck.
Der Fall von Jimmy Donaldson inspiriert jedoch dazu, die eigene Aufmerksamkeit mal wieder als die Währung zu betrachten, die sie ist – und die man vielleicht nicht einfach dem Meistbietenden zur Verfügung stellen sollte.

Kino der Körperbilder:
Uglies and The Substance

Uglies: Gen-Z-Klischees in a nutshell

Der neue Coming-of-Age-Film ‘Uglies’ auf Netflix sorgt aktuell für amüsierte Reaktionen auf Social Media. Die Verfilmung des gleichnamigen Buches, welche sich an ein GenZ-Publikum richtet, spielt in einer dystopischen Zukunft, in der Teenager ab 16 einer Schönheits-OP unterzogen werden, die sie zu sogenannten ‘Pretties’ macht. Diese führen auf der anderen Seite der Stadt in ‘New Pretty Town’ ein Leben frei von Verpflichtungen und voller Parties, während die armen ‘Uglies’, die noch auf die OP warten, drüben bleiben müssen in ‘Uglyville’ (ja, so heißt der Stadtteil wirklich).

Diskriminierung, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit gehören in dieser Welt der Vergangenheit an, denn schließlich sind ja jetzt fast alle Menschen extrem schön und bekanntermaßen löst das alle Probleme – diesen Standpunkt vertritt zumindest die Propaganda des Regimes. Ausgenommen sind nur die Hässlichen, die natürlich auch von normschönen Schauspieler*innen dargestellt werden, die sich nur durch die Abwesenheit eines snapchat-esken Filters auf dem eigenen Gesicht und goldenen Kontaktlinsen von den Pretties unterscheiden. Natürlich kann man argumentieren, dass ja genau das der Punkt ist: keine der Figuren ist hässlich. Trotzdem schade – hat sich nun doch einmal die Chance geboten, Figuren ausnahmsweise mal nicht nur mit klassisch attraktiven Menschen zu besetzen.

Vor zehn Jahren und mit einer weniger abgekupferten Plotline wäre der Film von Kritikern vielleicht nicht vollständig verrissen worden. Doch Sehgewohnheiten ändern sich und der Gen Z wird gerade von großen Studios und Streamern noch immer viel zu wenig zugetraut; im Gegenteil scheint noch immer das Klischee einer von Technologie abhängigen, aber geistig nicht besonders leistungsfähigen jungen Generation vorzuherrschen, deren durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne die 30 Sekunden nicht übersteigt – und das sieht man an den medialen Produkten, die ihr vorgesetzt werden. Schade!

The Substance: Feministischer Body Horror schlägt Wellen

Die andere Seite des Spektrums stellt derzeit sicherlich der neue und bereits hoch rezensierte Kino Blockbuster ‘The Substance’ dar. Während ‘Uglies’ die Abwesenheit körperlicher Perfektion lediglich in Plattitüden und einen simplen Plot übersetzt, in der ein autoritäres Regime die ‘Schönen’ von den ‘Hässlichen’ trennt, stellt ‘The Substance’ den Aspekt des Horrors angesichts von Alter im Showbiz in den Mittelpunkt.
Im Zentrum der Handlung steht Elisabeth, gespielt von Demi Moore, einer Schauspielerin, die im oberflächlichen (und natürlich von Männern kontrollierten) Showgeschäft aufgrund ihrer schwindenden Jugend abserviert wird. In einer Welt, in der die eigene Menschlichkeit nur anerkannt und als wertvoll erachtet wird, solange frau jung und schön ist, entwickelt die Frage, wie weit man bereit ist, zu gehen, schnell ihren eigenen Sog. Elisabeth lässt sich auf eine neuartige Droge ein, die ihr endlich das faltenfreie und laszive Alter Ego beschert, das sie sich wünscht – allerdings mit Nebenwirkungen.

Der Film, der in Cannes den Preis für das beste Drehbuch gewann, lebt von eindrücklichen Darstellungen des menschlichen Körpers als Rohstoff, den es mit Gewalt zu unterwerfen gilt. Elisabeth zerrt und reißt an der Haut ihres Gesichts wie an einem unnachgiebigen Stoff, während ihr junges Alter Ego Sue, gespielt von Margaret Qualley, Elizabeth’s Show übernimmt und sich leichtfüßig und leicht bekleidet ins dekadente Leben der Reichen und Schönen stürzt. Die Kluft zwischen Elisabeth und Sue wird größer, als Sue ihre Verpflichtungen gegenüber ihrer älteren Version zunehmend ablehnt und Elisabeths körperlichen Verfall damit sogar beschleunigt.

@polyesterzine

This week on The Polyester Podcast Ione and Gina are LIVE in partnership @MUBI with to discuss one of our favourite films of the year: The Substance.⁠ ⁠ Listen to the full episode now via our 🔗 #mubi #thesubstance #demimoore #margaretqualley #podcasts

♬ original sound - PolyesterZine

Der BodyHorror-Aspekt des Films bringt den Wahnsinn, der sich hinter oberflächlichen und unrealistischen Schönheitsidealen auf eine morbide Weise zum Ausdruck, die dem aktuellen Zeitgeist perfekt entspricht: wer immer schön sein will und alles Unperfekte voller Hass verdrängt, öffnet dem Hässlichen und Abstoßenden manchmal noch weiter die Tür. Social Media treibt Schönheitstrends auf die Spitze, und während viele unter dem Druck zusammenbrechen und sich mitunter schmerzhaften, riskanten OPs unterziehen, etabliert sich eine zunehmend größere feministische Strömung, die sich dem schlicht und einfach verweigert. Es ist, als wolle der Film sagen: Niemand ist immer jung, schön und perfekt. Und wer es versucht, zahlt einen Preis, der schwerer wiegt als jede Falte.

Viktoria Steiber

Writer & Inhouse Creator

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