In einer Videobotschaft zum Jahresbeginn stellte Mark Zuckerberg Maßnahmen vor, die Meta für die USA zeitnah umsetzen wolle:
- Ersetzung der Factcheckers durch Community Notes (Meldungen durch User der Plattformen) nach dem Vorbild von X
- Vereinfachung der Content Policy durch Streichung von Restriktionen, zum Beispiel zu Themen wie ‘Migration und Gender, die einfach out of touch mit dem Mainstream-Diskurs’ seien
- Lockerungen der Regeln automatischer Filter, die nach Verletzungen der Gemeinschaftsrichtlinien scannen: künftig sollen nur noch schwere Regelverletzungen automatisch gesperrt werden; bei ‘leichteren’ Regelverstößen verlasse sich Meta darauf, dass die Inhalte durch Community Notes gemeldet werden
- Rücknahme der Drosselung von politischem Content, wie es zuvor der Fall war
- Verlegung der trust and safety content moderation teams von Kalifornien nach Texas, wo es ‘weniger Sorge um die Voreingenommenheit’ des Teams gebe
- Der Schutz der weltweiten Meinungsfreiheit:
‘Wir werden mit Präsident Trump zusammenarbeiten, um uns gegen Regierungen auf der ganzen Welt zur Wehr zu setzen, die gegen amerikanische Unternehmen vorgehen und darauf drängen, mehr zu zensieren.‘
Die erste angekündigte Maßnahme besteht in der Abschaffung der Factcheckers, also Personen, die Posts auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen und irreführenden oder falschen Content entfernen. Die Begründung: Das Faktencheck-Programm auf Facebook und Instagram sei zu fehleranfällig und die Factcheckers politisch zu voreingenommen. Richtig gelesen – anscheinend wird die Überprüfung von Fakenews nun einem politischen Lager zugeordnet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Statt das Programm also zu verbessern oder die angebliche Voreingenommenheit der Factcheckers genauer zu adressieren (geschweige denn zu verifizieren und mit Quellen zu belegen – hätte da nicht mal ein Factchecker drüberschauen können?), schafft er es gleich komplett ab. Die Alternative: mithilfe von ‘Community Notes’ könnten sich die User der Dienste künftig gegenseitig factchecken. Wir finden, das wird sicher ganz wunderbar funktionieren! Besonders dann, wenn die Urheber von Falschinformationen sowie Hass und Hetze sich künftig zusammenrotten können, um Content, der nicht in ihr Weltbild passt, kollektiv mit Community Notes zu diskreditieren.
‘Zensur’ und ‘Faktencheck’ sind für Zuckerberg offenbar das Gleiche.
In seinem Vortrag verwendet er die beiden Begriffe quasi synonym und impliziert, dass die Überprüfung möglicher Falschaussagen (und auch Hass und Hetze) zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führe, wie das angeblich in der EU der Fall sei. Insbesondere die Auswahl der Themen ‘Gender’ und ‘Einwanderung’ stellt in unseren Augen eine sehr spezifische politische Entscheidung dar. Besonders bezeichnend ist die Begründung der Entscheidung, die Content Moderation Teams in Kalifornien nach Texas zu verlegen. Von einem blauen Staat in einen roten Staat, wo es Zuckerberg nach weniger Voreingenommenheit zu geben scheint:
Uns, die wir uns für die freie Meinungsäußerung einsetzen, wird das meiner Meinung nach dabei helfen, Vertrauen aufzubauen, um diese Arbeit an Orten zu leisten, an denen es weniger Bedenken hinsichtlich der Voreingenommenheit unserer Teams gibt.
Ökonom und Wirtschaftswissenschaftler Scott Galloway betont, hier handele es sich nur vordergründig um eine politische Entscheidung. Die Verlegung des kompletten Teams ist nämlich eine fantastische Möglichkeit, still und leise 30-60% des gesamten Teams abzubauen und auf diese Weise Millionen einzusparen. Der ‘Kniefall’ vor Trump ist in Galloways Augen außerdem eine Chance, sich der politischen Verantwortung für die Inhalte seiner Plattformen zu entziehen – eine Verantwortung, die Zuckerberg von vornherein nie wollte.
Die EU ist für Zuckerberg anscheinend das Epitom der Zensur, denn hier greifen nicht nur generell strengere Datenschutzgesetze, sondern die EU-Kommission verpflichtet Tech-Konzerne auch dazu, den Wahrheitsgehalt der online gestellten Inhalte zu überprüfen. Für Meta sind in Deutschland die Nachrichtenagenturen AFP und dpa sowie das Rechercheportal Correctiv tätig. Zuckerberg findet sowas doof und kündigte offen an, mit Präsident Trump zusammenarbeiten zu wollen, ‘um sich gegen Regierungen auf der ganzen Welt zur Wehr zu setzen, die gegen amerikanische Unternehmen vorgehen und darauf drängen, mehr zu zensieren’.
Nach dem Sturm aufs Kapitol hatte Zuckerberg Donald Trump noch eine Sperre auf Meta verhängt, um ihm keine Bühne mehr zu bieten. Anfang 2023 hob er diese allerdings wieder auf und nun spendete er eine Million Dollar zur Amtseinführung. Wenn sich da der Wind mal nicht gedreht hat.
Es wird vermutet, dass die Entscheidung, Trumps Wünschen zu entsprechen, in Zuckerbergs Fall weniger mit einer ideologischen Verblendung zu tun hat, wie das beispielsweise bei Elon Musk der Fall ist, der sich seit neuestem in seiner Körpersprache missverstanden fühlt. Vielmehr sei Zuckerberg ein Opportunist durch und durch. Eigene unverrückbare Prinzipien? Fehlanzeige. Trotzdem gibt es auch Stimmen, die bei Zuckerberg in den vergangenen Jahren einen Wandel zu einer zunehmend konservativen Weltsicht festgestellt haben wollen. Die woke Ideologie hat einen neuen Feind! Passend dazu verkündet er, Unternehmen bräuchten mehr maskuline Energie, werde das unternehmerische Umfeld doch zunehmend ‘kulturell kastriert’.
So oder so –– Zuckerbergs offen zur Schau gestelltes Einreihen in Trumps Linie sichert Meta nicht nur finanzielle Vorteile, sondern auch Unterstützung im andauernden Rechtsstreit mit der US-amerikanischen Verbraucherschutzbehörde FTC. Die Federal Trade Commission wirft Meta unter anderem vor, systematisch Konkurrenten aufgekauft und damit den Mechanismus eines legitimen Leistungswettbewerbs ausgehebelt zu haben. Meta stellt ein Monopol dar, das Konkurrenz kaum noch zulässt und verstößt nach Meinung der FTC unter der von Joe Biden nominierten Lina Khan gegen das Kartellrecht. Die Klage wurde 2021 abgewiesen und mit einer neuen Klageschrift erneut eingereicht. Meta reichte 2022 und 2024 Anträge auf Ablehnung ein, die zwar beide scheiterten. Doch ist es Zuckerberg auf diese Weise gelungen, das Datum der angesetzten Verhandlung im April 2025 in Trumps Amtszeit zu verschieben und seine Erfolgsaussichten damit signifikant zu verbessern. Dass Trump die Pläne der FTC nicht gutheißt und sich auf die Seite der Tech-Giganten schlägt, ist evident. Wir drücken der FTC jedenfalls die Daumen und suchen unterdessen weiter fleißig nach Alternativen zu den Meta-Apps.
Und wer sich in der Zwischenzeit etwas amüsieren will, schaut sich frischen Fakenews-Content über Mark Zuckerberg an. Habt ihr schon gehört, dass er sich einen Rattenpenis hat transplantieren lassen? Wer braucht schon Factchecker.
— Viktoria Steiber